Heute vor 17 Jahren: St. Pauli taumelt in Überzahl der 3. Liga entgegen
Nico Frommer (18 Reutlingen) , links Marco Gruszka, Holger Stanislawski FC St. Pauli - SSV Reutlingen
An Fußball ist dieser Tage nicht zu denken. Die Coronakrise hat den Profifußball längst erreicht, so auch den FC St.
Pauli. Die Profis sollen sich von zu Hause fit halten, wann wieder gespielt wird, ist offen. Gespielt wurde heute vor 17 Jahren, damals traf der stark abstiegsgefährdete Kiezklub in der Zweiten Liga auf den SSV Reutlingen.
Es ist wohl eines der vorentscheidenden Spiele auf dem Weg zum Ziel Klassenerhalt der Saison 2002/03. Der FC St. Pauli empfängt am 21.03.2003 den SSV Reutlingen zum Krisengipfel. Einige Umstellungen von Trainer Franz Gerber sorgen für eine offensivere Ausrichtung und diese scheinen auch direkt zu fruchten. In den ersten 20 Minuten bietet sich den Kiezkicker mehrfach die Chance, auf 1:0 zu stellen, doch mehrere gute Möglichkeiten bleiben ungenutzt. Doch St. Pauli bleibt dran und belohnt sich in der 21. Minute. Fabian Gerber profitiert von einem missglückten Klärungsversuch der Gäste und vollstreckt per Direktabnahme zur 1:0-Führung.
Der erste Rückschlag folgt schon Minuten später. Stefan Blank muss verletzt raus, für ihn kommt Thorsten Traub (25.). Doch St. Pauli lässt sich nicht verunsichern, behält die Kontrolle und zeigt sich zweikampfstark. In der Schlussphase der ersten Hälfte können sich der Gastgeber den nächsten Vorteil erspielen. Gerber ist schneller als seine Gegenspieler und wird von Marc Spanier mit einer bösen Grätsche von hinten gestoppt (37.): Rote Karte für den Reutlinger. St. Pauli ist nun über eine Halbzeit lang in Überzahl. Vielleicht wurden bei dem einen oder anderen Erinnerungen an das vergangene Heimspiel gegen Waldhof Mannheim wach, dort musste man auch in Überzahl noch einen Ausgleich schlucken. Erst in den Schlussminuten war der Siegtreffer gelungen.
Noch vor der Pause setzt Nico Frommer zum Solo an, lässt die Abwehrreihe inklusive St. Pauli Torwart Heinz Müller stehen und schiebt zum Ausgleich ein. Dann ist Halbzeit – aus der St. Pauli gar nicht gut herauskommt. In einem fahrigen Kick braucht es lange, bis wieder für sportliche Highlights gesorgt wird. Ab der 70. Spielminute zieht St. Pauli das Tempo noch einmal an und kommt zu Chancen. Nascimento gelingt das Kunststück, den Ball aus drei Metern über das Tor zu bugsieren. Weitere gute Möglichkeiten werden liegen gelassen und wie schon gegen Waldhof Mannheim entwickeln sich die Schlussminuten zum Drama. Doch dieses Mal sind es nicht die Braun-Weißen, die jubeln. In der Nachspielzeit trifft Joker Jens Paeslack und lässt die Gäste jubeln. Der Schock sitzt tief.
„Unglaublich, unbeschreiblich“, sagt ein völlig fassungsloser Holger Stanislawski nach dem Spiel. „Wir sind so nervös geworden, haben aufgehört Fußball zu spielen“, analysiert Torschütze Gerber und verspricht: „Wir geben uns nicht auf!“ Ob das in der Situation noch hilft? Am Folgetag titelt die MOPO: „1:2! Jetzt hilft St. Pauli nur noch ein Wunder“.
Doch ein Wunder gibt es nicht mehr und so steigt St. Pauli in die Drittklassigkeit ab. Auch Reutlingen kann sich nicht in der Liga halten und tritt als Sechzehnter mit zwei Punkten mehr als der Kiezklub den Weg in Liga Drei an. (mab)
Aufstellung FC St. Pauli: Heinz Müller – Jens Rasiejewski, Holger Stanislawski (78. Chris), Nascimento – Ugur Inceman, Marco Gruszka, Corey Gibbs, Fabian Gerber, Stefan Blank (25. Thorsten Traub) – Marcao (46. Babacar N'Diaye), Oliver Held