Sensationssieg für St. Pauli – der Anfang vom Ende in der Bundesliga
Stephan Hanke und Dariusz Wosz im Zweikampf um den Ball. (Foto: Witters)
Wahrscheinlich haben sich die Spieler der FC St. Pauli lange nicht mehr so gefreut, endlich wieder gegen einen Ball zu treten.
Die Corona-Pause hat den gesamten Ligabetrieb ausgehebelt und das in einer Phase, in der es sonst heiß hergeht. So auch vor 23 Jahren. Am 9. April 1997 empfing der FC St. Pauli, der damals noch in der Bundesliga spielte, den VfL Bochum. Ein Spiel, was eigentlich schon viel früher hätte ausgetragen werden sollen.
Es ist bereits der fünfte Versuch, diese Partie über die Bühne zu bringen. Vier Mal musste das Spiel, welches ursprünglich im Dezember angesetzt war, verschoben werden. Unwetter und eine baufälliges Millerntor-Stadion sind die Ursachen für dieses unfassbare Hin und Her. St. Pauli steckt tief im Abstiegskampf und braucht dringend Punkte, Bochum kämpft um einen Platz im internationalen Geschäft. Ausgerechnet vor diesem Spiel herrscht dicke Luft beim Kiezklub.
Torwart Klaus Thomforde behauptet im Interview mit der MOPO: „Wenn acht, zehn oder 15 Profis gar nicht bei St. Pauli spielen würden, hätte der Klub mehr Geld.“ Dem entgegnet ein aufgebrachter Martin Driller: „Das ist nicht gut. Und es nicht das erste Mal, dass Klaus so etwas sagt.“ Das alles wird Kapitän Carsten Pröpper zu bunt. Er spricht ein öffentliches Machtwort: „Wer sich heute nicht zerreißt, dem trete ich persönlich in den Hintern.“ Worte, die Wirkung zeigen.
St. Pauli spielt von Beginn an munter nach vorne. Geschickt kontern sich die Hausherren in den Strafraum der Bochumer. Pröpper schickt Tore Pedersen, der legt quer auf Emerson - nach sechs Minuten führt St. Pauli. Es kommt sogar noch besser. Nur zwei Minuten später setzt Pröpper Jens Scharping in Szene. Der verlädt seinen Gegenspieler und umkurvt Keeper Uwe Gospodarek. Nach acht Minuten führt St. Pauli mit 2:0. Bochum kann nicht richtig Fahrt aufnehmen und hat Pech, dass ein Kopfball von Torsten Kracht erst an die Latte klatscht und dann von Thomas Sobotzik auf der Linie gerettet wird (21.).
Auch in der zweiten Halbzeit ist es zunächst der FC St. Pauli, der Akzente setzen kann. Da Stephan Hanke aber zweimal nur den Pfosten trifft, wird es noch einmal eng, als Kracht eine Viertelstunde vor Schluss den Anschlusstreffer erzielt. Doch St. Pauli hält stand und rettet den Vorsprung ins Ziel. Die Euphorie ist groß. „Jeder von uns hat sich heute den Arsch aufgerissen. Nur so kann es weiter gehen“, sagt ein erleichterter Holger Stanislawski nach dem Spiel. Auch Trainer Maslo zeigt sich zufrieden: „Die Mannschaft hat hervorragend gekämpft und gespielt. Das war eine tolle Leistung.“ Die MOPO titelt am Tag nach dem Spiel: St. Pauli 2:1 – wir sind wieder da!
Was der Anfang einer Aufholjagd hätte werden sollen, entpuppt sich als Anfang vom Ende. Drei Tage später gelingt bei 1860 München noch ein Punktgewinn, es soll der letzte Punkt sein, den St. Pauli aus den letzten acht Spielen holt. Im Rückspiel in Bochum wenige Wochen später gerät der Kiezklub mit 0:6 unter die Räder. St. Pauli steigt als Letzter ab. Bitter: Jahre später soll ausgerechnet der Stadtrivale aus dem Volkspark mit der gleichen Punktzahl (27) die Klasse halten. (mab)
Aufstellung St. Pauli: Klaus Thomforde – Michael Bochtler, Dirk Dammann, Tore Pedersen (77. Oliver Schweißing), Holger Stanislawski – Stephan Hanke, Carsten Pröpper, Thomas Sobotzik – Emerson (70. Christian Springer), Jens Scharping, Matthias Scherz